Gastbeitrag von Beate Caglar (Achtsame Ernährung)
Was ist dran am Mythos Detox?
Immer wieder liest man, der Körper bräuchte beim Entgiften keine Hilfe. Vielmehr sei er selbst in der Lage, Toxine und Schadstoffe abzutransportieren und deswegen gäbe es auch nichts zum Entgiften. Ist „detox“ (engl. für entgiften) also bloß ein Mythos?
Vor Beginn des Zeitalters der Industrialisierung hätte ich dem zugestimmt. Die Menschen lebten mehr oder weniger im Einklang mit der Natur und für die damals aufgenommenen Schadstoffe waren die natürlichen Reinigungsprozesse prädestiniert und ausreichend. Doch leider haben wir uns mittlerweile eine Welt geschaffen, die das Entgiftungs- und Reinigungssystem vieler Menschen überfordert.
Überall in unserem Lebensraum befinden sich Schad- oder Giftstoffe: Luft, Umwelt, Leitungswasser, Wohnraum, Kleidung, Kosmetik, Reinigungsmitteln, etc. Problematische Stoffe gelangen auch immer wieder in unsere Lebensmittel, oft auch legal:
- Acrylamid, eine krebsverdächtige Substanz, kommt vor allem in Backwaren vor
- Reis nimmt besonders viel Arsen auf, was mit einer erhöhten genotoxischen Wirkung beim Menschen in Verbindung gebracht wird
- Fleisch, Fisch, Eier und Milch sind für 80% der Gesamtaufnahme an Dioxinen und PBCs verantwortlich, die giftig und teilweise krebserregend sind
- Uran im Trinkwasser
- Glyphosat, das meistverkaufte Unkrautvernichtungsmittel der Welt, das jede Pflanze tötet, es sei denn, sie ist gentechnisch verändert. Glyphosat ist von der WHO als wahrscheinlich krebserregend eingestuft worden. Ich verwende deswegen wenn immer möglich Bio-Produkte (Demeter, Bioland oder Naturland)
Viele dieser Problemstoffe kann der Körper selbst ausleiten, aber nicht alle. Bei der Ausleitung sog. Neurotoxine [z.B. Schwermetalle wie Quecksilber, Blei, Kadmium, Aluminium; Biotoxinen (Toxine von Pilzen, Bakterien und Viren); vom Menschen erzeugte Umweltgifte wie Dioxine, Formaldehyd, Insektizide, Holzschutzmittel; Konservierungsstoffe, Reizmitteltoxine wie Aspartam (Süßstoff), Lebensmittelfarben, Fluoride, Methyl- und Propyl-Parabene] tut sich der menschliche Organismus schwer.
Nach dem Ergebnis des „Umweltgiftreport 2015“ der Schweizer Umweltorganisation Green Cross sind fast 100 Millionen Menschen weltweit gefährlichen Umweltgiften ausgesetzt, durch die ihre Gesundheit schweren Schaden nehmen kann. Ein Faktor ist vor allem die zunehmende Belastung durch die sechs gefährlichsten Schadstoffe (Blei, Quecksilber,Chrom, Radionukliden, Pestizide und Cadmium).
Stehen Thunfisch und andere Raubfische regelmäßig auf Deinem Speiseplan? Dann könnte es gut sein, dass auch Dein Körper Quecksilber eingelagert hat.
Neben dem Verzehr von belasteten Lebensmittel wird auch das, was wir auf unsere Haut auftragen, ein Teil von uns. Denn die Haut ist keine undurchlässige Barriere, sondern Substanzen werden resorbiert und so können die in der Kosmetik enthaltenen Stoffe in unseren Körper gelangen. Sonst würde keine Créme funktionieren.
Last but not least kommt natürlich noch hinzu, was wir uns ggf. selbst einverleiben: Nikotin, Alkohol und andere Drogen, Schlaf- und Schmerzmittel.
Nach alle dem müsste klar sein, dass unser Entgiftungssystem wahrscheinlich Hilfe braucht. Warum wird das immer wieder in Frage gestellt? Schreibt einer vom anderen ab oder liegt es daran, dass erstaunlich wenige Menschen die negativen Folgen spüren? Natürlich passen sich Organismen auch an und unser Reinigungssystem (insbesondere Leber und Niere) arbeitet lange unter Hochdruck. Doch wenn das metaphorische Fass zum Überlaufen gebracht wird, die Reinigungssysteme überfordert sind oder schlimmstensfalls still stehen, dann werden verbleibende Schadstoffe und Gifte eingelagert und es kann zu Zellschäden, chronischen Krankheiten bis hin zu Krebs kommen.
Und was nun?
Eine eigentliche Entgiftungskur (z.B. gezielt auf Schwermetalle) selbt durchzuführen kann kontrapoduktiv und gefährlich werden und sollte daher nur unter fachkundiger Aufsicht und Begleitung stattfinden. Koriander beispielsweise mobilisiert mehr Toxine als es aus dem Körper abtranportieren kann, und kann das Bindegewebe dadurch mit Metallen überschwemmen, die bislang an einem „sicheren“ Platz versteckt waren (Rückvergiftung).
Bevor man sich einer echten Entgiftungkur unterzieht, gibt es einfache Möglichkeiten, die jeder im Hausgebrauch zunächst für sich nutzen kann.
- Vermeidungsstrategie
Alles, was ich meinem Körper nicht zumute, muss er auch nicht mühsam engiften. Das heißt, oberstes Ziel ist erst mal, die Zufuhr von neuen Giften abzustellen. In vielen Bereichen haben wir darauf Einfluss, in anderen nicht. Die größte Kontaktstelle für die meisten von uns ist die Nahrung, Wasser, Luft, Kosmetik- und Reinigungsmittel und unser Wohnraum. - Wertvolle Lebensmittel
Alles, was ich meinem Körper Gutes tue, daran kann er sich erfreuen. Neben viel Bewegung, ausreichend Schlaf, Schwitzen in der Sauna oder beim Sport und Stressreduzierung sind das gute Lebensmittel (nicht Nahrungsmittel), die u.a. eine ausreichende Zufuhr von Mineral- und Vitalstoffen, gute Fettsäuren (z.B. aus Avocados, Walnüsse, Leinsamen), Protein (z.B. durch Hülsenfrüchte), Flüssigkeit (gutes, stilles, idealerweise strukturiertes Wasser) und sekundäre Pflanzenstoffen (mit hoher antioxidativer Wirkung) ermöglichen. Hierdurch werden die körpereigenen Reinigungsprozesse unterstützt.
Keimlinge, Rejuvelac und gekeimte Hülsenfrüchte
Mit Sprossen kann man sich kinderleicht wertvolle Mineralstoffe und sekundäre Pflanzenstoffe ins Haus holen, und zwar zu jeder Jahreszeit. Beispiel: Eine der gesündestes Gemüsesorten ist Brokkoli. Was die ausgewachsene Pflanze an Vitalstoffen hat, haben deren Sprossen sogar in potenzierter Form. Pflanzensamen enthalten ein komplexes Nährgewebe, das während des Keimvorgangs aktiviert wird, um die Pflanze so lange zu versorgen, bis sie ihre Energie durch Fotosynthese gewinnen kann. Das heißt, während der Keimung entsteht aus dem Samen ein Nährstoffpaket und die Nährstoffdichte (Konzentration aus Bioaktivstoffen, Protein, Fett, Kohlenhydraten und Ballaststoffen) wird nie wieder so hoch sein. Davon kann der Mensch mächtig profitieren. Sulforaphan, ein starkes indirektes Antioxidans, das vor allem in Brokkoli enthalten ist, aktiviert körpereigene Entgiftungsenzyme in der Leber, die krebserregende, freie Radikale neutralisieren können.
Damit die tollen Nährstoffe auch über den Darm aufgenommen werden können bevor sie zu den Zellen gelangen, brauchen wir einen gesunden Darm, genauer: 100 Billionen gute Bakerien in unserem Darmmikrobiom. Eines der einfachsten Rezepte für Darmgesundheit ist Rejuvelac. Ein (ganz einfach herzustellendes) fermentiertes Getränk aus gekeimtem Getreide, das reich an B-Vitaminen, Vitamin E, Vitamin K, Aminosäuren und Enzymen ist. Durch die Fermentierung entstehen auch wertvolle Milchsäurebakterien, was Rejuvelac zu einem probiotischen Lebensmittel macht. Diese unterstützen den Aufbau und die Erhaltung eines gesunden Darmmikrobioms und stärken damit unser Immunsystem. Denn vereinfacht ausgedrückt befinden sich 80% unseres Immunsystems im Darm. Und ein gesundes Darmmikrobiom hält sogar unser Gehirn fit. Jeden Morgen 150 – 200ml Rejuvelac in den Smoothie, fertig.
Hülsenfrüchte werden gerne unterschätzt. Dabei sind sie eine hervorragende Quelle für Eiweiß, Ballaststoffe und B-Vitamine. Sie stellen zudem eine der besten pflanzlichen Eisenquellen dar. Die Hülsenfrüchte vorher keimen zu lassen, hat den gleichen Effekt, wie bei Brokkoli- und anderen Samen. Zudem werden die Hülsenfrüchte durch die Keimung sehr bekömmlich.
Ob Pflanzensamen, Getreide oder Hülsenfrüchte, sie alle können mit dem wunderbaren und äußerst praktischen Keimglas von Keimgrün keimen.
So, jetzt setzen wir mal die Theorie in die Tat um: Ran an die Töpfe und die Keimgläser: Wie wäre es mit einem Linsen-Spinat-Curry aus gekeimten Linsen, gesundem Bio-Baby-Spinat, nach ätherischen Ölen duftendem Bio-Fenchel, tollen orientalischen Gewürzen und gekeimtem Bockshornklee, der wunderbar zu diesem Gericht passt?
(c) Beate Caglar (Achtsame Ernährung), Februar 2022
Homepage: www.achtsame-ernaehrung.com
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